Der emotionale Reaktionskreislauf
Über Amygdala Hijack, wiederkehrende Reaktionsmuster und wie wir aussteigen können
Das Enneagramm beschreibt mit der "Enneagramm-Struktur" die Fundamente unserer Persönlichkeit. Sie erklärt die einzelnen Bestandteile unseres Egos und welche Macht sie in unserem Leben haben. In Verbindung mit dem emotionalen Reaktionskreislauf und dem Enneagramm-Strukturmodell erhältst du ein Verständnis über menschliche Reaktionen und automatische Denk- und Verhaltensmuster.
Inhaltsverzeichnis (klickbar)
Enneagramm-Stile und reaktive Automatismen
Jeder Enneagramm-Stil folgt zunächst automatischen Reaktionsmustern. Solange wir uns von unseren unbewussten Reaktionsmustern leiten lassen, behält unser Enneagramm-Stil die Kontrolle über unsere Gedanken und beeinflusst unser Verhalten. Unsere Wahrnehmung innerhalb des Kreislaufs will unsere Glaubenssätze bestätigt sehen und entwickelt Geschichten, die ein Leben lang wiederkehren können. Wir bezeichnen dies als „alte Programmierung“, die unser Verhalten beeinflusst.
Um aus dem Kreislauf aussteigen zu können, müssen wir ihn zunächst verstehen: Unsere emotionalen Reaktionen lösen zwanghaftes Denken aus. Wir bearbeiten unser Thema im Kopf und drücken durch unsere Gedanken erneut unsere Knöpfe, die emotionale Reaktionen auslösen und unsere Gedanken verstärken: ein Teufelskreis – nicht nur sprichwörtlich, sondern auch biologisch und neurophysiologisch.
Alle Menschen reagieren emotional – nur unterschiedlich
Ob wir es wollen oder nicht, wir reagieren emotional auf Themen, die unsere Knöpfe drücken. Dieser Prozess läuft in jedem Menschen gleich ab, unabhängig von Intelligenzzentrum oder Enneagramm-Stil. Es ist eine biologische Reaktion auf eine Situation, die über Jahrtausende evolutionär entwickelt wurde. Der neurophysiologische Auslöser des Kreislaufs ist für alle Menschen gleich. Die Themen, die den Kreislauf starten, sind für jeden Menschen enneagrammatisch und biographisch unterschiedlich.
So funktioniert der emotionale Reaktionskreislauf
1.) Knopfdruck “Amygdala Hijack“: Ein Ereignis löst eine emotionale Reaktion in uns aus. Wir werden in der Amygdala „getriggert“ durch einen „Knopfdruck“ für unsere inneren persönlichen Themen.
2.) Abgleich mit Erinnerungsspeichern: Wir erleben die Situation aus unserer Wahrnehmungswelt und gleichen die mit unserem Kurz-, Mittel- und Langzeit-Gedächtnis ab. Anschließend wird die Situation als positiv oder negativ bewertet. Das geschieht unbewusst in wenigen Millisekunden. Der Neurowissenschaftler und Bewusstseinsforscher António Damásio nennt es die „somatischen Marker“. Botenstoffe (z.B.: Hormone) werden im Blut ausgeschüttet und wir reagieren emotional.
3.) Körperreaktion / Impuls zu handeln: Die Botenstoffe im Blut (z.B.: Hormone) geben uns Impulse zu handeln und veranlassen uns zu reagieren. Wir bekommen einen "Kampf-Flucht-Impuls" (kämpfen, fliehen, erstarren).
4.) Zwanghaftes Denken (Rumination): Die emotionale Reaktion erreicht unser Bewusstsein (Kopf-Zentrum). Unser Denken wird "zwanghaft". Wir werden Meister darin zu erklären, warum unsere Wahrheit stimmt und die der anderen nicht. Wir denken und erzählen ureigene Geschichten, um uns emotional zu schützen und um Recht zu behalten. Egal wie unterschiedlich der Auslöser sein mag, die Geschichten, die wir uns erzählen, sind oft „alt“ und haben einen hohen Wiedererkennungswert. Sie drücken erneut unsere Knöpfe und befeuern weiter den Teufelskreis. Bis wir ein STOPP setzen und aussteigen ...
Eine systemische Betrachtung menschlicher Reaktionsmuster
(Wissenschaftliche Grundlage der Biologie, Neurologie, Psychologie)
Pamela Michaelis und Philipp Dörfler haben den emotionalen Reaktionskreislauf durch die Kombination verschiedener wissenschaftlicher Studien aus den Bereichen der Biologie, Neurologie und Psychologie entwickelt. Das Modell betrachtet den Menschen systemisch – mit allen Zentren (Kopf, Herz, Bauch). Es schließt alle Betrachtungswinkel menschlicher Reaktionsmuster ein.
Was dieses Modell besonders macht, ist seine Fähigkeit, die Wechselwirkungen zwischen Gehirn und Körper in Bezug auf emotionale Denk- und Verhaltensmuster zu beleuchten. Es zeigt auf, wie tief verwurzelt diese Muster in unserer Biologie sind, was uns hilft, unser eigenes Verhalten besser zu verstehen und zu erkennen, warum wir in bestimmten Situationen so reagieren, wie wir es tun.
Unser Gehirn und der Körper haben im Laufe unseres Lebens neuronaler Nervenbahnen geschaffen. Diese sind gefestigt und so stark, dass sie die gleiche Aufmerksamkeit brauchen, um sie wieder aufzulösen. Gehirn und Körper stehen in einem ständigen, untrennbaren Dialog. Aus Sicht des Körpers und der Nervenzellen gibt es keine Trennung. Sie schießen blitzschnell.
Wir können die Relevanz dieser Aussage erst begreifen, wenn wir versuchen auszubrechen und nicht dem gleichen Muster zu folgen. Du kannst es testen: Versuche bei der nächsten herausfordernden Situation nicht zu fühlen, was du normalerweise fühlst. Versuche, nicht wie gewohnt zu handeln. Und versuche, nicht deinen Gedanken zu folgen, deren einziges Ziel es ist, dass du denkst im Recht zu sein.
Erst jetzt verstehen wir, wie machtvoll und unbewusst dieser Kreislauf tatsächlich ist. Dieses Wissen ist daher nicht nur für die persönliche Entwicklung unerlässlich, sondern auch für die Schaffung von empathischeren und effektiveren Kommunikationsstrategien im Alltag.
Enneagramm to go – Erhalte das kostenlose eBook. Es ist eine Übersicht zum Enneagramm geschrieben von Pamela Michaelis mit folgenden Inhalten:
-
Enneagramm-Grundlagen (Strukturmodell und emotionaler Reaktionskreislauf)
-
3 Intelligenzen (Beschreibungen und wissenschaftliche Hintergründe)
-
9 Enneagramm-Stile (Motivationen, Beschreibungen und Entwicklungsthemen)
... und so steigen wir aus
Ein wacher innerer Beobachter bringt eine „echte“ Wahlfreiheit: Es ist der erste Moment, in dem unser Bewusstsein aktiv involviert ist. Wir können beobachten was passiert und erkennen, welche Gefühle in uns aufsteigen. Unser Bewusstsein erhält neue Information über das, was die Gefühle uns sagen wollen. Von Angst, emotionalem Schmerz bis Wut: Gefühle sind gut und intelligent. Wir wollen sie haben, spüren und ihnen Raum geben. Sie unterstützen uns, alte Geschichten, Spiele und Rollen zu stoppen und stattdessen konstruktive Gespräche mit uns und anderen zu führen. Das braucht Mut, Wille und Wohlwollen – alle drei Zentren.
Es braucht den Körper und innere Arbeit, um auszusteigen
Ebenso wie der Reaktionskreislauf für alle Menschen ein biologischer, unausweichlicher Prozess ist, sind auch die Schritte für innere Arbeit und Transformation für jeden Menschen gleich, unabhängig von Intelligenzzentrum oder Enneagramm-Stil.
- Innerer Beobachter wach
- Lenkung der Aufmerksamkeit
- Energie folgt
- Atmung mit Akzeptanz und Wohlwollen (Liebe) – Ho’opono’pono für die Arbeit mit dem Schmerzkörper
- Kontraktion Raum geben und transformieren – Atme die Energie der Kontraktion in jede Zelle des Körpers, bis in die Fingerspitzen, Zehen und Kopf
Eine praktische Umsetzung und Anleitung dieser scheinbar aber machtvollen Arbeit erlebst du in unseren Enneagramm-Seminaren und -Weiterbildungen.
Podcast zum emotionalen Reaktionskreislauf
Dieses Thema halten wir für so fundamental für die persönliche Entwicklung, dass wir gleich zwei Podcast-Episoden dazu gemacht haben.
#39 – Reaktionsautomatismen und zwanghaftes Denken
Auf unserer Webseite: https://www.enneagramgermany.de/39
Auf YouTube: https://youtu.be/rIKFXtMlsOo
#122 – Zwanghaftes Denken, damit wir Recht behalten
Auf unserer Webseite: https://www.enneagramgermany.de/122
Auf YouTube: https://youtu.be/QVteJE-rU6Q
Zusammenfassung (Auf einen Blick)
Der emotionale Reaktionskreislauf ist ein zentrales Konzept, das uns hilft, zu verstehen, wie wir auf emotionale Trigger reagieren. Kombiniert mit der "Enneagramm-Struktur", die unser Ego erklärt, bietet es ein tiefgreifendes Verständnis unserer automatischen Denk- und Verhaltensmuster. Der Prozess beginnt mit einem "Amygdala Hijack", bei dem ein Ereignis starke emotionale Reaktionen auslöst. Diese Reaktionen sind in unserer Biologie tief verwurzelt und werden durch komplexe Wechselwirkungen zwischen Gehirn und Körper beeinflusst.
Jeder Enneagramm-Stil folgt bestimmten automatischen Reaktionsmustern. Diese Muster sind so stark, dass sie unser Denken und Handeln unbewusst steuern können. Das Erkennen und Verstehen dieser Muster ist der Schlüssel, um aus dem Kreislauf auszubrechen. Das Verlassen des Kreislaufs erfordert bewusste Körperarbeit und die Entwicklung eines wachen inneren Beobachters. Durch Achtsamkeit und die Anwendung bestimmter Techniken wie Ho'oponopono und energetische Atmung können wir diese Muster transformieren und effektivere Kommunikationsstrategien im Alltag entwickeln.
Diese Einsichten und Methoden werden in Enneagramm-Seminaren und -Weiterbildungen vertieft, um ein tieferes Verständnis und praktische Anwendungen für persönliche Entwicklung und zwischenmenschliche Beziehungen zu bieten.
Quellenverzeichnis
- Arnsten, A. F. T. (2015): Stress signalling pathways that impair prefrontal cortex structure and function. Nature Reviews Neuroscience, 16(12), 1–15. https://doi.org/10.1038/nrn.2015.21
- Aziz, Qasim; Rule, James K. (2018): The neurobilogogy of gut feelings. In: Tsakiris, Manos; De Preester, Helena (Hrsg.): THE INTEROCEPTIVE MIND: FROM HOMEOSTASIS TO AWARENESS. United Kingdom: Oxford University Press
- Beck, Henning; Meyer zu Reckendorf, Christopher, Anastasiadou, Sofia (2016): Faszinierendes Gehirn. Eine bebilderte Reise in die Welt der Nervenzellen. Heidelberg: Springer-Verlag Berlin.
- Berntson, Gary G.; Gianaros, Peter J.; Tsakiris, Manos (2018): Interoception and the autonomic nervous system: Bottom-up meets top-down. In: Tsakiris, Manos; De Preester, Helena (Hrsg.): THE INTEROCEPTIVE MIND: FROM HOMEOSTASIS TO AWARENESS. United Kingdom: Oxford University Press
- Köteles, Ferenc (2021): Body Sensation – The Conscious Aspects of Interoception. Schweiz: Springer Nature Switzerland AG
- Meyer-Grashorn, Anke; Possel, Gianna (2008): Trust yourself! - Wie Sie Ihre Intuition für Entscheidungen nutzen. München: Rudolf Haufe Verlag GmbH & Co. KG
- LeDoux, J. E. (1996). The Emotional Brain: The Mysterious Underpinnings of Emotional Life. Simon & Schuster.
- Grewen, K. M., Girdler, S. S., Amico, J., & Light, K. C. (2005): Effects of partner support on resting oxytocin, cortisol, norepinephrine, and blood pressure before and after warm partner contact. Psychosomatic Medicine, 67(4), 531–538. https://doi.org/10.1097/01.psy.0000170341.88395.47
- Davidson, R. J., & Irwin, W. (1999): The functional neuroanatomy of emotion and affective style. Trends in Cognitive Sciences, 3(1), 11-21.
- Zatorre, R. J., Fields, R. D., & Johansen-Berg, H. (2012): Plasticity in gray and white: neuroimaging changes in brain structure during learning. Nature neuroscience, 15(4), 528-536.
- Grewen, K. M., Girdler, S. S., Amico, J., & Light, K. C. (2005): Effects of partner support on resting oxytocin, cortisol, norepinephrine, and blood pressure before and after warm partner contact. Psychosomatic Medicine, 67(4), 531–538. https://doi.org/10.1097/01.psy.0000170341.88395.47
- Kross, E., Davidson, M., Weber, J., & Ochsner, K. (2009): Coping with emotions past: The neural bases of regulating affect associated with negative autobiographical memories. Biological Psychiatry, 65(5), 361-366.
- Siegel, D. J. (2010). The mindful therapist: A clinician's guide to mindsight and neural integration. WW Norton & Company
- Dr. Joe Disenza: "How to Unlock the Full Potential of Your Mind"
Youtube-Video | Webseite - Amygdala Hjack: https://en.wikipedia.org/wiki/Amygdala_hijack
- Dixon, M. (2023): Does the Amygdala Hijack Your Brain? Jan. 3, 2023 Psychology Today. https://ww.psychologytoday.com/us/blog/202301/does-the-amygdala-hijack-your-brain
- Nolen-Hoeksema, S., Wisco, B. E., & Lyubomirsky, S. (2008). Rethinking rumination. Perspectives on Psychological Science, 3, 400-424.
- Ciesla, J. A., & Roberts, J. E. (2007). Rumination, negative cognition, and their interactive effects on depressed mood. Emotion, 3, 555-565.
- Roese, N. J., Epstude, K., Fessel, F., Morrisson, M., Smallman, R., Summerville, A., … Segerstrom, S. (2009). Repetitive regret, depression, and anxiety: findings from a nationally representative survey. Journal of Social and Clinical Psychology, 28(6), 671-688.
The role of rumination in depressive disorders and mixed anxiety/depressive symptoms. Journal of Abnormal Psychology, 109, 504-511. - Randenborgh, A. & Ehring, T. (2013): „Ich denke, also bin ich traurig“: Über die Folgen des Grübelns. The Inquisitive Mind. Ausgabe 01, 2013. https://de.in-mind.org/article/ich-denke-also-bin-ich-traurig-ueber-die-folgen-des-gruebelns
Die Enneagramm-Grundlagen mit Pamela Michaelis
In dieser Videoreihe gibt Pamela einen ersten Überblick darüber, was das Enneagramm ist und wie es dich bei deinem Entwicklungsweg unterstützt.
Beispielhafte Video-Inhalte:
✓ Was ist das Enneagramm und was bringt es mir?
✓ Dein Enneagramm-Stil ist kein Mangel
✓ Wie das Enneagramm unsere Reaktionen beeinflusst und dich bei deinem Entwicklungsweg unterstützt
✓ 9 Enneagramm-Stile: Kurzbeschreibung und ausführliche Interviews
✓ Die drei Intelligenz-Zentren (Kopf, Herz, Bauch) erklärt
Enneagram Germany GbR
Isestraße 55
20149 Hamburg (DE)
Tel.: +49 (040) 480 80 99
FOLGE UNS HIER
© Copyright Enneagram Germany 2021. Alle Rechte vorbehalten.